Ortsteil Mittelherwigsdorf
Mittelherwigsdorf erstreckt sich etwa 3 km nordwestlich von Zittau im Tal des Rietsche- oder Ritzebaches und der Mandau. Das 7,5 km lange Waldhufendorf erinnert in seiner Gestalt an die Form eines Hufeisens und bestand ursprünglich aus drei Teilen mit jeweils eigenen Ortsrichtern: dem 1410 Bertilsdorf/ Bettelsdorf genannten Oberherwigsdorf, das erst 1974 den Status einer selbständigen Gemeinde verlor, dem eigentlichen Kirchort Herwigsdorf und der so genannten Scheibe, einem schon 1359 erwähnten Rittersitz.
Die erste geschichtliche Erwähnung geht auf das Jahr 1312 zurück. Damit gehört Herwigsdorf erwiesenermaßen zu den ältesten Siedlungen der Südlausitz. Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts brachten die Cölestiner auf dem Oybin den gesamten Ort in ihren Besitz, mussten ihn aber infolge der Reformation nach und nach an die Stadt Zittau verkaufen. Damit war der Weg frei für die besonders um 1700 einsetzende Veränderung der dörflichen Strukturen. Neben der angestammten Bauernschaft erstarkte die soziale Schicht der Häusler, deren Haupterwerbsquelle in der Leinenweberei bestand. Diese Entwicklung ging mit einer durchgreifenden Wandlung des Ortsbildes einher: Soweit es das Terrain zuließ, füllte sich die überwiegend schmale, stellenweise sogar schluchtartige Bachaue mit Umgebindehäusern, die in ihrem überlieferten Bestand noch heute den architektonischen Reichtum der Gemeinde ausmachen.
Obwohl Mittelherwigsdorf seit 1848 über einen Eisenbahnanschluss verfügte, entwickelte sich im 19. Jahrhundert keine nennenswerte Industrie, so dass der ländliche Charakter erhalten blieb. Dieser Umstand fand auch seinen Niederschlag in der Gefügekonstellation der Fachwerk- und Umgebindekonstruktion. Zusammen mit den Dörfern im Norden und Nordosten des Kreisgebietes gehört der Ort zu einer bäuerlichen Beharrungszone, die gefügetechnische Neuerungen - im Vergleich mit der Entwicklung im benachbarten Landwasser- und Mandautal - nur zögernd, überhaupt nicht oder in eigenwillig veränderter Form aufnahm und umsetzte.
Das führte in unserem Falle zu einer einmaligen Situation: Noch um 1960 waren die wichtigsten im Oberlausitzer Raum anzutreffenden Umgebindearten vorhanden und in ihren frühen Entwicklungsphasen bilderbuchartig ablesbar. Trotz des bedauerlich starken Substanzschwundes in den vergangenen Jahrzehnten (besonders im Bereich Oberherwigsdorf) lässt sich auch gegenwärtig noch ein einigermaßen repräsentativer, typologischer Querschnitt erkennen, der Gebäude des 17. bis 19. Jahrhunderts umfasst. Von den bemerkenswerten Massivbauten wäre an erster Stelle die originelle, kleine, gedrungene Kirche zu nennen: Bereits im 14. Jahrhundert erwähnt, gilt sie als eine der ältesten ländlichen Sakralbauten der Umgebung mit zum Teil noch ungeklärter, wechselvoller Baugeschichte von der Spätromantik bis zum Barock. Ganz in der Nähe dominiert das alte „Kretschamgut“ von 1686 das Zentrum - mit mächtigem Walmdach, Andreaskreuzfries und einem vorzüglichen farbigen Jugendstilfenster am Schmalseiteneingang. Bäuerlichen Wohlstand im ausgehenden 19. Jahrhundert verkünden zahlreiche um 1860/70 umgebaute Drei- und Vierseithöfe, die den Talrändern markante Konturen verleihen. In der unmittelbaren Nachfolge des bekannten Seifhennersdorfer Rathauses entstand 1926 das Gemeindeamt, eine der überzeugendsten Architekturleistungen dieser Zeit im Zittauer Gebiet.
Heute leben im Ortsteil Mittelherwigsdorf, in dem auch die Gemeindeverwaltung ihren Sitz hat, etwa 1.600 Menschen. Traditionell sind der Herschdurfer Karneval, die Kirmes oder Sandbüschelfeste beliebte Anziehungspunkte. Das kulturelle Leben bereichern vor allem auch der Traumpalast oder die Kulturfabrik mit ihrem Kinoprogramm.